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 Originalausschnitt des dritten Stzes (too much) (5,5 min)    r Originalausschnitt des dritten Stzes (too much) (5,5 min) m

 

 

Viertägige Geburtstagsfeier für Thomas Witzmann

Das Gesamtwerk eines Künstlers wird, je nach Bedeutung, in der Regel erst im hohen Alter gewürdigt. Vielleicht sogar nach dem Tod. Zu spät, wie Thomas Witzmann reklamiert, Gott sei´s geklagt - und getrommelt. Der Schlagzeuger, im Grenzbereich zwischen Neuer Musik und Improvisation taktierend, Komponist und Klangerforscher, beugt also schon einmal vor: Er feiert an vier Tagen und drei Orten (Loft, Alte Feuerwache, Stadtgarten) öffentlich seinen 40. Geburtstag.

Witzmann fühlt sich zu jung, zu fit, um noch lange auf die Würdigung seiner Arbeit zu warten. Und zu alt, um durch Förderung seines Schaffens ins Gerede zu kommen. Die Teilnahme an Ausschreibungen dieser Art endet mit Vollendung des 40. Lebensjahres. Schallmauer? So ist Witzmanns 4-Tage-Tour überschrieben. "Gefeiert" wurde am ersten Abend im Loft, nämlich seine Kompositionen zu Feierstunden: Reifeprüfung, Abitur, Einweihung Loft.

Der Schlagwerker läßt die Fünf gerade sein. Oder treibt sein Spiel durch ungerade Metren. Die Zeiteinteilung in Takten ist nur ein Teil seiner Musikerzeugung, ebenso wichtig sind Klänge, Bewegung, Raum und Struktur. Die Gestik spielt eine Rolle, die Anordnung und Wahl der Instrumente, theatralische Effekte. Witzmanns Witz reicht von spontan bis bemüht. Nicht jeder instrumentale Slapstick dient der Sache. Um so komplexer vertieft sich der meister in die rein musikalische Materie. Seine Bausteine, die das Stück ergeben, setzen sich aus vielen kleinen Elementen zusammen, und keineswegs nur aus Melodie und Rhythmus, oder einer gewöhnlichen Abfolge von Schlagpassagen. Thomas Witzmanns Darbietungen sind Inszenierungen und Aktion gleichermaßen, visuelle Klangkompositionen sozusagen.

"Matschmusik", eine dreiteilige Suite (Matsch - Musik - Too much), vereint die einzelnen Teile in vielfältiger Weise. Rhythmus, Sound, Harmonie und Kontrapunktik fließen bezugsweise ineinander, kanalisiert durch Schlagzeug, Vibraphon und Perkussionstrommeln. Solist: Thomas Meixner. Im zweiten Stück, ein Frühwerk zur Abiturfeier, mischte Witzmann die Vorlieben aus alter und neuer Klassik (am Piano: Paulo Alvares und Antonis Anissegos). Und plazierte einen Gag - die musikalische Verbrüderung von rechtem und linkem Liedgut - das damals das Schulfest aufrüttelte, heute jedoch lediglich Erinnerung ist.

Das Finale richtete Witzmann dann selber aus. Ein köstlicher Spaß. Da erzeugte er scheinbar beliebige Klänge, kritzelte lautstark Komponisten aufs Papier, schmiß es zu Boden (Bach) oder packte es in einen Koffer (Cage), trommelte zu abgerufenen Melodien, erzeugte Geräusche und undefinierbare laute. Kurzum: Witzmanns Musik ist ein Klangkosmos in oftmals skurriler Weise. Die Zugabe war ein Vorgriff ("Rattleshake") auf das Konzert (Zeug für Schlagquartett") am 28. Januar, 20 Uhr, in der Alten Feuerwache. Dienstag, 27. Januar, 20.30 Uhr, jammt Witzmann im Stadtgarten.

Kölner Stadt-Anzeiger
27.01.1998
Martin Woltersdorf