mobile hausmusik

beschreibung
presse

 

 

 

Witzmanns Opus für das Rathaus

Notenblatt-Regen und bohrende Bögen

Im Rathaus regnete es Notenblätter zum Finale. Innen, außen, oben, unten vorne, hinten, rechts, links - sämtliche Dimensionen schöpfte die Uraufführung "Mobile Hausmusik" von Thomas Witzmann aus.

Selten wurde das Wort "Hausmusik" so wörtlich genommen wie in diesem Fall. Der Kölner Komponist hatte sein Opus nämlich ganz den akustischen und architektonischen Gegebenheiten des Rathauses auf den Leib geschrieben. Und das ist auch der Grund, warum die Zuhörer an diesem Abend nicht nur eine Erstaufführung hörten (und sahen), sondern auch ein Unikat erlebten.

Das Opus läßt sich naturgemäß nicht in andere Räumlichkeiten übertragen. Und trotzdem fesselte diese Einmaligkeit nicht jeden Zeitgenossen an seinen Stuhl. Es mag weniger an der Idee als an den sperrigen Klangstrukturen gelegen haben, daß 20 Zuhörer im Laufe des Abends das Weite außerhalb der Rotunde suchten.

Nur wenige Takte waren exakt auskomponiert, der größte Teil des Werkes vollzog sich im Rahmen einer gelenkten Improvisation. Musikergruppen verteilten sich über alle Ebenen, agierten mal im Tutti, mal einzeln, so daß der Raum aus allen Richtungen akustisch ausgeleuchtet wurde. Eine Streichergruppe (Bass, Cello und Geige) im Zentrum fungierte lange Zeit als Rotationsachse, um welche die anderen Instrumente kreisten. Überhaupt war die Bewegung ein wesentliches Element der Aufführung.

Zu den wandernden Instrumenten gesellten sich vier Tänzerinnen, die sich zeitweilig in das Geschehen integrierten. Ihr Auftreten wurde zumeist von sanfteren Klängen begleitet. Ein schönes Licht- und Schattenspiel ergab sich auf der zweiten Etage: Hinter einer leicht transparenten Papierwand wurden die Silhouetten anmutiger Frauengestalten sichtbar. Mit Sinn für Humor durchbohrten ein Cellobogen und eine Posaune später die Papierwand, erst zaghaft, dann mit Freude und Zerstörungswut.

Die Komposition, deren Lautstärkegrad manchmal die Schmerzgrenze überschritt, die aber auch mit interessanten visuellen und räumlichen Effekten aufwartete, will Grenzen verwischen, Künste vereinen, festgefahrene Hör- und Sehgewohnheiten durchbrechen, will vielleicht sogar Gesamtkunstwerk sein.

Westfälische Rundschau
19. Juli 1995
Petra Koch

 

mobile hausmusik || beschreibung | presse

 

Viele akustische und optische Überraschungen bei "Mobiler Hausmusik"

Tänzerinnen "klebten" an Rathausfenstern

Spaziergänger im Stadtpark werden am Sonntag abend gestaunt haben: Da "klebten" vier Tänzerinnen von außen an den Rathausfenstern und zwei Schlagwerker "trommelten" von innen gegen die Scheiben - eine Stunde später saßen zwei der Tänzerinnen - mit Bikini oder Trikot bekleidet - mit den beiden Schlagwerkern oben auf dem Glasdach des Rathauses, rieben die Fenster mit Seifenlauge ein. Die Szenen waren Teil der "Mobilen Hausmusik" von Thomas Witzmann.

Mobil war allerdings nicht die Musik (die hat der Kölner Komponist und Regisseur nur für diese Haus eingerichtet), dafür aber die 20 Musiker aus sechs Ländern. Die wanderten über die vier Ebenen des Hauses, brachten es dabei auch fertig, im Gehen spielend ein virtuoses Cellosolo zu fabrizieren.

Musik zum Gucken und zum Hören, wie ein Raum klingen und schwingen kann, wenn man ihn musi-kalisch ganz ausreizt, war diese Projekt, das stellenweise an Stockhausens "Sternklang" erinnerte. Eigenartig fremd, teilweise auch unheimlich, konnte der auch mit Lichteffekten verwandelte Raum wirken, wenn Witz-mann die Instrumente auf den Galerien mit Geräuschen knistern und rascheln ließ.

Mit Klangräumen arbeitete der Kölner, der immer mehrere Dirigenten die Aktionen koordinieren ließ. Interessante Klangfarbenkombinationen schuf er durch immer neu variierte Instrumenten-Konstellationen, spielte mit der Akustik des Hauses, wenn er die Dynamik forcierte oder die Instrumentalisten durchs Publikum wandern ließ.

Spannend war die fast anderthalbstündige Vorstellung besonders dadurch, daß Ungewohntes an vielen Orten gleichzeitig passierte, wenn sich etwa Flöte und Tuba oder Bratsche und Trommel bei ihren Klangspa-ziergängen begegneten, die Schlagwerker den Eigenklang des Hauses mit Musik an den Gitterstäben einbezogen oder sich die Tänzerinnen hinter einer Schattenwand bewegten. Am Schluß rieselten alle Notenblätter auf das Publikum herab - die Musik ist eben nicht nur aufwendig, sondern, wenn sie nur auf einen Raum bezogen ist, auch vergänglich.

Ruhr-Nachrichten
18. Juli 1995
(G)

 

mobile hausmusik || beschreibung | presse

 

Galaktische "Hausmusik"

Witzmann-Konzert im Rathaus

Hausmusik - darunter stellt man sich das "stillvergnügte Streichquartett" vor, irgendetwas Beschaulich-Feines. Thomas Witzmanns "Mobile Hausmusik" jedoch, die am Sonntag im Rathaus uraufgeführt wurde, schien von der anderen Seite der Galaxis zu kommen.

Sie war alles andere als still und fein: ein wüst-vitales Spektakel, daß einem die Ohren dröhnten. Dabei ziem-lich gut - und Hausmusik wortwörtlich.

Die 20 Musiker waren nicht fein säuberlich vor dem Publikum aufgereiht, sondern allüberall auf den Emporen der Bürgerhalle verteilt. Sie wanderten auch herum, und manchmal hatte man das Gefühl, das Haus selbst würde singen, stöhnen, schreien, flöten und was dergleichen Laute der Neue-Musik-Komponist noch seinem Instrumentarium entlockte. Auch die geräuschhafteren Momente wurden geadelt durch das exquisite Ensemble, das Witzmann für sein Stück zusammengefunden hatte. Sein Spiel ließ einem auch in den größten Lärmattacken nur wohlige Schauer den Rücken herunter laufen.

Offensichtlich weniger anzufangen wußte der Komponist mit den vier Tänzerinnen, die dazugehörten. Ohnehin nur ab und an beschäftigt, durften sie außerhalb des Rathauses hinter den Schieben hin- und herlau-fen, Schattenspiele tanzen oder mit Pappröhren an den Treppengeländern entlang ratschen. Daraus hätte man mehr machen Können. Aber das ist eine kleine Kritik an einem gelungenen, amüsanten Neue-Musik-Abend.

WAZ
18. Juli 1995
gh