pamina - projektion |
In der Kürze liegt meist die Würze |
MOZARTWOCHE: "O so eine Flöte" - Zeitgenössische Komponisten beschäftigen sich mit Mozart (...) Nach über 50 Jahren nun nahm das Nationaltheater Mannheim die Anfrage auf und beauftragte acht Gegenwartskomponisten, darunter Walter Zimmermann, Peter Ablinger, Dieter Schnebel, Rolf Riehm und Thomas Witzmann, sich musikalisch Mozarts "Zauberflöte" zu nähern. Jetzt war die Uraufführung von "O so eine Flöte - ein Zauberflöten-Remix" und es war wenig Überraschendes zu hören. Aber was tut man auch, wenn alle Mauern eingerissen, keine Traditionen mehr zu brechen sind und das meiste gesagt ist?(...) Es war Peter Konwitschny, der in seiner Stuttgarter "ZAuberflöte"
die Groteske unausgegorener Männerfantasien des Prinzen Tamino auf die
Bühne brachte, indem er die Traumhochzeit von Lady Di und Prinz Charles
per Video einspielen ließ. In seiner szenischen "Pamina-Projektion"
beleuchtete der 1958 geborene Thomas Witzmann die Statinonen dieses
Traumpaares anhand seines zugespielten Paminagesichts (Anja Lais). Das
bot von wild artikulierten Schimpftiraden, über den erschöpfend erlebten
Koitus bis hin zum tränenreichen Ende alles außer schlüssiger
Erkenntnis. (...) |
Britta Richter,
Mannheimer Morgen, 12.12.2005
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Interview Nora Bauer mit Thomas WitzmannDeutschlandRadio, 24.01.2006 Ich denke, wir fangen mit der Aufstellung an, man muß sich eine leere Bühne vorstellen, auf der linken Seite ist engl. Horn mit Percussion I mit den temple blocks, in der Mitte hinten das Cello mit vier Pauken und auf der rechten Seite ist die Posaune mit der dritten Percussion, nämlich im wesentlichen Glockenspiel-Metallklänge. Also es gibt einen Holzapparat, Holzblas- und Holzschlag-Instrumente, dann gibt es das Saiteninstrument Cello mit den Fell-Instrumenten, also quasi als natürlich Haut, wie Fell oder Darm, nicht, die Darmsaiten und eine Blechabteilung, Posaune mit Glockenspiel, bzw. dann auch tam-tam, Metall quasi Geräusche, dazu gibt es einen Life-Spieler, das bin in diesem Falle ich selber, der in diesem Karé dann agieren wird und ganz wichtig ist in der Mitte hinten über dem Cello und den Pauken ist eine Leinwand ... im Format sechzehn zu neun, allerdings in Hochkant, d.h., er wirkt also wie ein Schal, auf diese Leinwand wird ein Gesicht der Schauspielerin Anja Lais projektiert, die quasi Pamina spielt, das Stück heißt 'Pamina-Projektion' und wir sehen diese Schauspielerin in drei unterschiedlichen charakteristischen Färbungen. es entspricht für mich im Grunde den drei Prüfungen, die ja einmal das Schweigen, das Feuer, dann das Wasser sind, so sieht man sie jetzt nicht schweigend, sondern sie ist sehr in Rage, sehr wütend, eben weil Tamino nicht spricht, aber sie beschimpft ihn geräuschlos, es ist nämlich ein Stummfilm, ihre eigene Stimme ist ausgeblendet, stattdessen gibt es eben Musik, die genau zu diesen Videos läuft. Das zweite ist das Feuer, das wird sie auch darstellen über ihr Gesicht, über emotionale Zustände, die sich im Gesicht abspielen, und das letzte ist Wasser und da läuft einem das Wasser wörtlich und man sieht es auch.
Als ich den Auftrag bekam habe ich ganz spontan gesagt, an der Zauberflöte interessieren mich die drei Prüfungen, ... also das war eine ganz spontane Entscheidung, darüber dachte ich dann, es fängt ja an mit einem Bild, nämlich Tamino sieht das Bild von Pamina und über das Bild bin ich in die Projektion hineingeraten, gleichzeitig wollte ich auch mit diesem Stück, was ja auch vom Auftrag her ein Kommentar, oder eine Erweiterung oder eigene Phantasien zum Thema Zauberflöte darstellen soll, bin ich darauf gekommen, eben eine visuelle Ebene, wie in der Oper ja auch einzuführen.
Also ich habe auch mit dieser Grundidee, Musik zu einem Video zu schreiben, Musik, diesich eben mit dem Thema Zauberflöte beschäftigt und habe mit der Schauspielerin gearbeitet daraufhin, dass es eine Musik geben wird, von eine bestimmten Art, ich hatte die Musik aber noch nicht, ich wußte aber von den Dauern, wie lang jeder Abschnitt ungefähr dauern würde und so haben wir dann zunächst das Video entwickelt und im Grunde habe ich dann im nachhinein zu diesem Video wieder eine Musik dazu erfunden, bzw. gefunden, in diesem falle habe ich auch sehr viel Material von Pamina-Arien, bzw. Zauberflöten-Original-Material verwendet, allerdings in sehr verfremdeter Form, nicht unbedingt in Kollagentechnik, ich habe einfach Sachen beschleunigt, Zitate herausgenommen, extrem gedehnt, teilweise von hinten nach vorne spielen lassen, über drei Oktaven tiefer zum Beispiel, also einfach verschiedene musikalische Operationen vorgenommen, dass man es jetzt nicht so deutlich erkennt, aber der Ursprung dieses Materials ist also in der Partitur von Mozart zu finden, gleichzeitig gibt es aber auch noch eine Geräuschebene, die eigentlich auch Mozarts Idee widerspiegelt, zu den einzelnen Geschehnissen, die ja szenisch stattfinden auch noch Geräusche zu liefern, also gerade bei den Prüfungen gibt es ja Windgeräusche und das Feuer prasselt, und es wird also sehr illustrativ auch dargestellt - in meinem Fall ist es jetzt nicht eine reine Illustration von erkennbaren Geräuschen, sondern, es ist einfach noch eine andere Ebene, auch eine Verfremdungsebene, dass jetzt Mozart doch durch eine Art Spiegelung, oder sagen wir durch eine Art Projektion, durch meine Projektion auch gefiltert wird. und so dann wieder neu erklingt. Ich habe mir natürlich gedacht, wie gehe ich jetzt mit so einem Brocken um, das ist ein Meilenstein in der Geschichte, und die einzige Chance ist eigentlich relativ frisch, spontan und naiv ranzugehen. Und das im Grunde als Fundus, weil, zu nehmen, weil die Ausgangsidee der Projektion mir von Anfang an klar war, nämlich auch darzustellen, oder mir vorzustellen, was denn mit einer Beziehung Tamino-Pamina passiert, wenn sie denn dann mal dauert eine Weile, und so, ich meine, die Phase des Verliebtseins oder des In-sich-Verliebens ist natürlich auch eine sehr schöne oder auch eine sehr schmerzliche, wie ja in der Oper zu sehen oder mit Prüfungen verbunden aber dann fängt ja eigentlich die Arbeit erst an (lacht). Und darüber hinaus gibt es ja so ein Vexierspiel mit dem Thema Projektion, man stellt sich ja dann so eine Wunderschöne Frau vor, habe wir zwar auch, aber sie ist jetzt nicht unbedingt in so idealen Wunschvorstellungsgesten gezeigt, sondern sie ist ja erst mal sehr ärgerlich, und wütend und der Zuschauer, wenn er sich denn als Adressaten auch fühlt, weil er ja angeguckt wird von ihr, wird dann also erst mal richtig übel beschimpft. Oder eben stellvertretend für den Tamino, der jetzt eben in dem Falle ja zum Schweigen verdammt ist, was sie aber nicht weiß.
Wobei es nicht einen geschriebenen Text gibt, sondern der wurde improvisiert aus der Situation heraus, die ich eben ihr dargestellt habe oder was ich eben damit verbinde und verknüpfe. ... Ich habe ihr beschrieben wie es ist, sie hat einen Partner, der jetzt nichts sagt, und sie ist völlig irritiert, ... vorher hat er noch von großer Liebe geredet, jetzt ist er plötzlich mundtot geworden und das macht sie natürlich – auf der einen Seite irritiert sie das und sie versucht ihn zu motivieren, jetzt sag doch mal was, also es geht ja nicht sofort los mit der Beschimpfungsarie, sondern sie versucht es ja auf verschiedene Weise, bis sie dann einfach völlig ausflippt und völlig verzweifelt ihn anbrüllt. Ich sag jetzt nicht mit welchen Worten weil ... (ich drin) man sieht es ... (ich drin).
... obwohl der Text ja nicht zu verstehen ist, weil es ein Stummfilm ist, aber sie sagt es so deutlich und man kann sich vielleicht auch relativ schnell in so eine Situation hineinversetzen, dass man, möglicherweise auch als Frau noch mal eher nachvollziehen kann, was sie da sagt. Aber ich denke für einen Mann funktioniert das auch.
Was könnte in so einem Zusammenhang die Metapher Feuer bedeuten. Feuer als Leidenschaft, als verzehrendes Element, natürlich auch als zerstörerisches Element, aber auch wenn man von feuriger Leidenschaft spricht, ist das ja auch ein sehr inniges und sehr starkes Gefühl und da haben wir versucht eben, das in den gegebenen zwei Minuten durch innere Vorstellungskraft über das Gesicht in Mimik ausdrücken zu können, also auch diese Ambivalenz zwischen schmerzlicher Leidenschaft und freudiger Leidenschaft und feuriger Leidenschaft. Das ist jetzt dann nicht ganz so einfach darzustellen, aber es ist ja auch so, daß in der Zauberflöte selbst Pamina mit geht im Feuer und im Wasser, da ist sie ja erst mal gar nicht verpflichtet zu, sondern sie sagt freiwillig, ich komm mit und wir bestehen das gemeinsam und das hat auch schon eine andere Qualität als diese erste Prüfung, die ja im Grunde genommen Tamino allein bewältigen muß gegen Pamina und die zwei anderen da sind sie ja gemeinsam, geleitet auch übrigens mit der Zauberflöte, natürlich, das ist ja auch noch mal ein Impuls, der zu hinterfragen ist, was ist das wiederum für eine Hilfestellung oder für eine Zauberei. oder ist das auch eine Projektion, die die beiden entwickeln für ihre Beziehung, dass sie die Feuerprobe und die Wasserprobe bestehen. Was bedeutet Wasser, im Grunde auch eine ähnliche Fragestellung, Wasser, auch die große Trauer, Verlust, Weinen, was kann das in einer Beziehung sein, das muß ja auch, auch ambivalent, man kann vor Glück weinen und man kann natürlich auch vor Trauer weinen, und diese Weinen ist ja auch nicht so deutlich einzuordnen, ist es jetzt aus Trauer, aus Verlust, aus Wut, aus Angst, oder ist es vor Glück, also das ist für mich wichtig eben diese Entscheidung offen zu lassen und im Grunde genommen in den Kopf des Zuschauers zu projektieren der sich dann wiederum seine eigenen Phantasien machen kann, je nachdem wie er so veranlagt ist.
Was kommt da an Musik, welche Zitate, wenn man sie erkennt, wobei es mir nicht darum geht, dass man die Zitate erkennen soll, also es ist jetzt kein Ratespiel 'Erkennen Sie die Melodie' und dann haben sie mehr davon, sondern man kann es einfach auch so hören, es ist völlig klar, dass der Fundus dieser Melodien und dieser Musik in der Zauberflöte liegt, aber welche Arie das jetzt genau ist oder welche Teile ich genau verwendet habe, dass spielt eigentlich keine Rolle, oder so etwas, dass ich jetzt in dem Marsch durch die Feuer- und Wasser-Prüfungen das Thema der Zauberflöte von hinten drei Oktaven tiefer als Krebs aufführe, ist eigentlich völlig unerheblich. Das ist für den Musikwissenschaftler ganz interessant, der kann dann noch irgendwas rausfinden, wenn er das möchte, aber es ist für das Verständnis nicht vordergründig wichtig, die einzelnen Quellen genau genannt zu bekommen.
Das ist ja eben auch eine Form von Hörprojektion, man wird durch bestimmte gesten und Floskeln automatisch in die Zauberflöte hinein projektiert, man kann sich gar nicht wehren und das ist natürlich auch das Geniale an dieser Musik, dass auch kleinste Keimzellen im Grunde genommen geeignet sind, das Große und Ganze zu entwerfen.
Eigentlich eine sehr entfernte, wenn ich sagen würde 'ich mag seine Musik' klingt so blasphemisch, (lacht) es ist großartige Erfindungskunst und auf einer frischen und gleichzeitig tiefen Weise, eben was auch dann oft naiv scheint ist in Wirklichkeit doch vielleicht doch, dreimal noch mal nachzuüberlegen oder hat noch bestimmte Tiefendimensionen, die mich faszinieren und vor allem dieser Signet-Charakter, dieser Wiedererkennungswert ... das ist natürlich hohe Kunst so etwas zu schaffen, wo man mit Melodiefetzen einfach einen komplett hineinbeamen kann in eine Stimmung, die man selber, auch wenn man es nur einmal oder zweimal gesehen hat, was einfach sofort wieder kommt, das ist schon sehr einzigartig.
Ich habe Schlagzeug studiert von 1980 bis 85 bei Prof. Christoph Caskel, habe aber nie Komposition studiert, war als Komponist Autodidakt, habe das aber schon immer irgendwie betrieben, das hat mich immer interessiert, ich habe mir auch immer die Fragen gestellt als Student, warum will ich das eigentlich nicht studieren – möglicherweise war ich zum einen auch von den theoretischen Grundlagen her nicht in der Lage, andererseits dachte ich immer, ich habe einen anderen Zugang und ich habe auch in den letzten Jahren immer mehr Musik in Verbindung mit anderen Kunstsparten gemacht und Projekte entwickelt wie 'Musik und Architektur', 'Musik im Rahmen bildender Kunst', oder 'Musik im Theater', ich habe auch sehr viel Bühnen-Musik an Schauspielhäusern gemacht, insofern war jetzt eine Arbeit mit einem gegebenen Thema 'Musik und Zauberflöte' für mich eigentlich auch wie ein vertrautes Unterfangen, nur jetzt einfach in die Geschichte zu gehen, in die Musikgeschichte, statt zum Beispiel in die Architektur oder in die Bildende Kunst, und da einfach zu gucken, was kann ich damit veranstalten, also was interessiert mich persönlich und welchen Zugang habe ich zu dieser Art von klassischer, das ist ja auch wie eine Art Architektur, die immer noch in unsere Zeit hineinragt und auch natürlich noch gespielt wird und wie gute Architektur eben auch zeitgenössische Sichtweisen zulassen kann.
Auch der Schlagzeuger muß als Pflichtnebenfach Klavier machen, das war in meinem Falle aber wirklich ein Neben-Nebenfach, man konfrontiert sich natürlich mit der klassischen Literatur, wenn man Pauke spielt, aber das war jetzt auch nie so mein besonderer Favorit, und im Schlagzeug wird es eigentlich erst ab Strawinsky so richtig interessant und ich habe eben da auch viele Uraufführungen erlebt, und habe damals als Student viel in der Kagelklasse gespielt, was ich sehr faszinierend, sehr interessant fand, und sicherlich da auch einige Anregungen mitgenommen habe, bin jetzt also nicht ein klassisch gebildeter Musiker wie ein Geiger oder ein Flötespieler, der jetzt einfach ab Barock alles draufhat, ich komm da auch relativ fremd zu Mozart selber hin, weil ich bin kein Mozart-Kenner und hab jetzt auch nicht, wie viele andere Komponisten oder vielleicht, wie das normalerweise man sich das auch vorstellt, dass man erst die alten Meister ausgiebig studiert, sämtliche Partituren abschreibt, auswendig lernt, und Interpretationskunde betreibt, so habe ich das gar nicht gemacht, ich bin eigentlich wirklich von heute, also bevor ich Schönberg kennen gelernt hatte, kannte ich Stockhausen und so bin ich denn wirklich eigentlich eher von den Zeitgenossen in die Geschichte gewandert und nicht umgekehrt.
Die zeitgenössische Musik hat durchaus sagen wir in den letzten fünfzig Jahren das Geräusch als gleichwertig zu anderen Instrumenten etabliert.
Ich habe auch Projekte mit Luftballons gemacht, es gibt sounds auf dem Luftballon, die kann die Geige nicht produzieren, die kann nur der Luftballon produzieren, das finde ich auch ganz spannend, dass ich jetzt Instrumente oder Alltagsgegenstände benutze wie z.B. Eierschneider, oder was immer, wo ich jetzt gar nicht auf die Spektakularität hin abziele, guck mal, so was kann man mit einer Schachtel Streichhölzer machen, zum Beispiel, oder eben mit Eierschneidern oder mit Luftballons oder mit normalen Töpfen, sondern davon gehe ich aus, dass das eh vorhanden ist und schon mal da gewesen, ich habe auch keine Instrumente neu erfunden, das ist im Grunde genommen, das Schlagzeug deckt alles ab, was die anderen Instrumente nicht sind, ob man da rein bläst oder reibt oder zieht oder wie auch immer man die Geräusche produziert, alles, was jetzt nicht im klassischen Instrumentarium vorhanden ist ist Aufgabe des Schlagzeuger und das finde ich auch ganz spannend, also das sind schon mal so vierzig Instrumente klassischer Art von der Triangel bis zur Pauke, über Marimbaphon, Vibraphon und Glockenspiel und jedes Instrument hat eigentlich auch so ein bißchen so eine eigene Spielweise, die es erfordert, bis hin eben zu Geräusch-Instrumenten, dass dann auch Lotusflöten, vielleicht sogar auch Panflöten dann von Schlagzeugern gespielt werden oder Sirenen oder wo man reinpusten muß bis hin zu Reibgeräuschen mit Bogen auf dem tamtam streichen, das macht eben auch nicht der Contrabassist, sondern der Schlagzeuger.
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