Ensemblia knackte das Bankgeheimnis
Auf eine Geduldsprobe gestellt sahen
sich die Zeugen einer spektakulären Uraufführung, mit der die Ensemblia am
Wochenende einen Höhepunkt markierte. Im Vorraum der Deutschen Bank waren
die Besucher wie Heringe zusammengepfercht. Wer in die Geheimnisse des
internationalen Geldgeschäfts eingeweiht werden will, muss Standvermögen
beweisen.
Ensemblia-Hauskomponist Thomas Witzmann hatte zu seiner Uraufführung „Bank
– Geheimnis“ eingeladen. Eingestimmt wurden die rund 150 Besucher durch
drei Männer, die sich mit seltsamen, an Werkzeug aus dem Arsenal von
Einbrechern erinnernden Gegenständen an Scheiben und Wänden zu schaffen
machten: Das quietschte ganz jämmerlich.
Dann öffnete sich eine Tür, und in langer Schlange drängten die Gäste in
die Kundenhalle. Staunten dort über belehrende und informierende Filme,
die scheinbar live von Monitoren auf sie einredeten, wobei zwei waschechte
Experten für Finanzwirtschaft, die Professoren Moewes und Klepper, ihre
Geldtheorien verkündeten. Was irritierte: Da wir Teil einer Kunstaktion
waren, nahmen wir die Ausführungen eher ungläubig zur Kenntnis – als
Theater. Einige Sprüche waren indes so kernig, dass sie haften blieben.
Moewes: „Je reicher die Reichen werden, desto mehr Schuldner brauchen
sie.“
Dann kam doch Musikähnliches, eher eine szenische Geräuschkulisse mit
präparierter Trompete, Posaune, Tuba und Schlagwerk. Dabei nutzten die
Akteure, vorneweg die Schauspielerinnen Heidrun Grote und Christina
Vayhinger, die architektonischen Eigenheiten des Bankhauses, insbesondere
die Wendeltreppe, Erker und Nischen, um sich redend und spielend in Szene
zu setzen. So dienten sogar die Geländerstäbe von Brüstungen für
rhythmisierte Geräuschentwicklung. Und Urheber Witzmann? Der verbeugte
sich hernach brav und nahm den heftigen Applaus freundlich blickend
entgegen. Und Bankvorstand Heinz Lemmen zeigte sich ebenfalls zufrieden.
Dirk Richerdt, Rheinische Post,
13.06.2005
zum
Radiofeature von Hanno Ehrler im DLF (13.08.2005)
1.Teil (3,8 MB)
mp3 2.Teil (13,8 MB)
mp3
Die Bank gewinnt immer
Thomas Witzmanns „Bank – Geheimnis“ verleiht dem
Mönchengladbacher
Festival „Ensemblia“ eine spektakuläre Note
(…) Im Vorraum der Schalterhalle, einem
gläsernen Kasten von vielleicht 30 Quadratmetern quetscht sich ein Teil
der Gemeinde der Neugierigen, die die Uraufführung unbedingt miterleben
will. Punkt acht fangen drei schwarz gekleidete Herren an, mit Hilfe
aufgespießter Flummis und Plastikdeckel verschiedener Formen die
Eingesperrten mit Kratzgeräuschen auf den Scheiben zu malträtieren. Später
nehmen die Schlagwerker auch noch normale Schlegel hinzu und entlocken den
Scheiben eine nette Palette an Klängen und Geräuschen. Die zunehmend
unerträgliche Saunaluft ergießt sich sodann in einen Nebenraum, in dem die
Geldautomaten stehen. Hier empfängt der Komponist seine Kundschaft vom
Bildschirm, der im Eck flimmert.
Zwei Kinder rezitieren Verse vom reichen und vom armen Mann („wär ich
nicht arm, wärst du nicht reich“), Blechbläser tröten vom Band, in den
Fenstern glucksen zwei Frauen gutturale Melodien. Nur der Mann im
Motorradhelm lässt sich von der „Kunst“ nicht beeindrucken. Er holt in
aller Ruhe Geld ab (Er gehört nicht dazu).
Auf dem Bildschirm erscheint ein grüner Pfeil, Schiebetüren öffnen die
Schalterhalle. Hier umspielt die Zuschauer ein Schlagzeugsolo mit den
Elementen eines Flip-Charts, eine Trompete spielt ohne Mundstück, eine
Rhythmusmaschine blubbert. Auf Bildschirmen gerät ein Konto zunehmend in
die Miesen, Kinder zählen ihr Taschengeld, Ökonomie-Professoren referieren
marxistische/kapitalistische Geldwirtschaftstheorien. Inzwischen kommt die
Musik auch aus dem Keller und von den Galerien.
Die Zuschauer werden auf Stühle komplimentiert, wo sie den Rest der 90
Minuten verbringen. Schwarz-weiß gekleidete Damen veranstalten eine
Lotterie (Gewinnchance 60 Prozent, die Bank gewinnt immer), an der sich
Etliche beteiligen. Auf der Wendeltreppe spielen sich Vorträge mit zum
Teil stimmungsvoller Musikuntermalung ab. Geländer, Stühle, Bildschirme:
Der ganze Raum wird zum Klangkörper.
Witzmann hat exzellente Musiker, gute Aktricen engagiert, die dem in
seiner kritischen Grundhaltung durchaus ernst gemeinten Mix aus Worten und
Zeichen virtuos Form verleihen. Der intellektuelle Nährwert der nur
selbstironisch verbrämten Schwarzweißmalerei bleibt allerdings gering, man
fühlt sich an längst vergangene Zeiten erinnert, nicht nur musikalisch.
Dem Chef des Geldinstituts jedenfalls gefiel die Schau. Besser und derart
einzigartig kriegt er sein Haus wohl nicht mehr bespielt.
Armin Kaumanns, Westdeutsche
Allgemeine, 13.06.2005
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