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Einfallswinkel/Brechung

„Das ist ja kein Museum, das ist ja eine Fabrik“ befand der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer beim Anblick des gerade (1957) fertig gestellten Wallraf-Richartz-Museums des Architekten Rudolf Schwarz (1897-1961) und hätte es am liebsten gleich wieder abgerissen. Der Komponist und Regisseur Thomas Witzmann lässt in seinem neuen Video/Musik-Theater Projekt „Einfallswinkel/Brechung“ die wechselvolle Geschichte dieses Hauses an Ort und Stelle Revue passieren. Der spezielle architektonische Stil dieses Baus wird in der Videoprojektion durch den britischen Architekturdozenten Anthony J. Barber (Glasgow School of Art) näher gebracht. Gleichzeitig erläutert  Maria Schwarz (die Mitarbeiterin und Frau von R. Schwarz) in einer Diskussionsrunde mit dem Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt und dem Architekten Christian Schaller die Baugeschichte aus eigener Sicht. Ergänzt durch historische Fotos - auch des im 2. Weltkrieg zerstörten neugotischen Vorgängerbaus – wird dieser dokumentarische Rückblick musikalisch kommentiert und kontrastiert.

Der Chor, die Musiker und die Solistin sind auf allen Etagen verteilt und loten die reizvolle, kathedralartige Akustik aus - zunächst unsichtbar für das in der großen Ausstellungshalle sitzende Publikum. Inspiriert von der aktuellen Nutzung als Museum für Angewandte Kunst und vor allem von den zahlreichen Trinkgefäßen der kunstgewerblichen Sammlung, werden Trinklieder verschiedener Jahrhunderte zitiert und verfremdet. Analog zur musealen Transformation von profanen Gebrauchsgegenständen zu Objekten der kontemplativen Betrachtung (z.B. der Staubsauger in der Vitrine) erhalten die zum Teil sehr derben Lieder, herausgerissen aus ihrem ursprünglich weltlichen Kontext, einen quasi sakralen Charakter und erinnern  an die frühere Nutzung des Areals als Minoritenkloster.

Visuelle Eindrücke vergangener Ausstellungen vermischen sich mit fiktionalen Elementen (z.B. Auftritten der Neun Musen), bevor der (Projektions-)Vorhang sich öffnet und den Blick auf den faszinierenden Innenhof mit dem Mataré-Brunnen und der gotischen Minoritenkirche (13. Jhdt.) freigibt. Das gesamte Gebäude wird auf verschiedenste Weise musikalisch und theatralisch bespielt, und, aus unterschiedlichen Blick- und Hörwinkeln gespiegelt, zum Sprechen und zum Singen gebracht: eine akustisch/visuelle Ortsbegehung als künstlerische Reflexion der Architektur mit ihrer Entstehungs- und Nutzungsgeschichte.

Folgende Dateien können Sie hier zusätzlich downloaden:


Programmheft


Pressemappe

Video/Musik Theater für das Museum für Angewandte Kunst Köln

Für Sopran, Bassklarinette/Altsaxophon, Tuba, Schlagtrio, 3 Tänzerinnen und Chor;
Licht- und Videoinstallation (Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln)

Uraufführung: 14. September 2012, sowie 15. und 16. September 2012

Sopran Maike Raschke
Bkl / Alt-Sax Frank Gratkowski
Tuba Carl Ludwig Hübsch
Perkussion Jonny Axelsson
Thomas Meixner,
Achim Seyler
Drei Grazien Elisa Marschall
Joana Dinah Schwing,
Kathrin Wankelmuth
Licht Stefan Strelecky
Chor Kölner Kurrende
Chorleitung Michael Reif
Musik, Video, Regie Thomas Witzmann

Im Fokus dieses dokumentarisch/fiktionalen Video/Musik Theaters steht die große Eingangshalle des MAKK mit seiner kathedralenartigen Akustik und mit dem faszinierenden Blick in den Innenhof auf die Minoritenkirche (13. Jhdt.). Das Projekt reflektiert akustisch und visuell den speziellen Typus dieses Museums, sowie die Architektur und ihre Entstehungs- und Nutzungshistorie an diesem geschichtsträchtigen Ort.

Die Zuschauer sitzen in Blickrichtung auf die riesige, zunächst mit den vorhandenen Vorhängen geschlossene Fensterfläche. Chor und Solisten spielen und bewegen sich auf den Etagen, Treppen und Zwischengeschossen, um die räumlichen Möglichkeiten von Nähe und Distanz sinnlich erfahrbar auszuloten. Analog zur Thematik des Museums (Präsentation der ständigen Sammlung von künstlerisch gestalteten Alltagsgegenständen seit dem Mittelalter mit wechselnden zeitgenössischen Sonderausstellungen) werden in der musikalischen Gestaltung vor allem Trinklieder aus den vergangenen Stilepochen fokussiert und verfremdet: Profanes in sakraler Akustik - aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus gebrochene Gebrauchsmusik in zeitgenössische Blick- und Hörwinkel gespiegelt.

Die Fensterfläche dient als Projektions- und Reflexionswand von inszenierten und zufälligen Momentaufnahmen aus dem Innen- und Außenbereich des MAKK. Im ersten, eher dokumentarischen Teil wird zu Beginn wird auf den vollflächig geschlossenen Vorhang projiziert. Danach wird dieser geöffnet, und die sich im Glas spiegelnden Video-Projektionen sowie Aktionen im hell beleuchteten Treppenhaus werden so zu sehen sein. Ein hinter der Glaswand befindliches schwarzes Moltontuch verstärkt den Spiegeleffekt und verhindert den Blick nach Außen. Erst nach Öffnung dieses Tuches wird der Innenhof samt Minoritenkirche inszeniert.

Die Fensterfläche wird neben ihrer Rolle als „Schau-Fensterscheibe“ auch als Membran akustisch vorgeführt, indem die Schlagzeuger sie quasi als Trommelfell bespielen.

Während die ca. 40 Mitglieder des Chors im Innenhof den historischen Kreuzgang des ehemaligen Minoritenklosters thematisieren, werden die drei Tänzerinnen als lebende Skulpturen („Drei Grazien“) an die Ausstellungsgeschichte erinnern. Licht- und Wasserspiele münden in einer furiosen Bespritzung mit zwei Gartenschläuchen an die Scheiben.

Zum Finale tritt der Chor, laut singend,
ganz nahe an die Glasfläche, während
sich die unteren Scheiben allmählich in
den Boden senken und die Distanz zum
Publikum so aufgebrochen wird:
ins Offene...

Musik und Raum
Wie eine zeitgenössische Museumsarchitektur
stellt die musikalische Gestaltung
immer wieder Räume für historische Musikbeispiele
zur Verfügung. Aber im Gegensatz
zur Kunstsammlung werden nie die Originale,
sondern nur Ausschnitte – und in
jeweils unterschiedlicher Bearbeitungsweise
verfremdet - „gezeigt“. Die Trinklieder (z.B.
Wolkenstein „Herr Wiert“, Bach „Kaffeekantate)
die den Genuss und die Folgen von
Alkohol, aber auch von Kaffee thematisieren,
werden in ihren musikalischen
Qualitäten analysiert, in kleinste Bestandteile
zerlegt und wieder neu montiert und
bilden so das Fundament der Klangsprache.

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Engels- (oder Lochner-) Brunnen
von Ewald Mataré (1957)


Die architektonischen Möglichkeiten z.B. der verschiedenen Etagen und des Treppenhauses werden genutzt, um mittels Klangverteilung im Raum Distanz, Bewegung und Nähe auszuloten. So werden die Chormitglieder zunächst weit vom Publikum entfernt positioniert, um später gemeinsam (als Masse) die große Treppe (den „Stufenberg“ nach R. Schwarz) sehr langsam herunter zu steigen, um unter der Glasbausteinwand eine „klassische“
Chorformation zu bilden. Diese wird dann wieder aufgebrochen und die einzelnen Sänger und Sängerinnen verteilen sich in der Halle, um den Zuschauern jeweils individuell leise ins Ohr zu singen – C-A-F-F-E-E als vielstimmiger „Privatkanon“ in extremer Nahbesingung. Dann übernehmen wieder die Instrumente und der Chor macht sich auf den Weg in den Innenhof, um dort zunächst mit einer Kerzenlichtprozession die klösterliche Historie zu illuminieren.
Dis Sopranistin und die Instrumentalisten grundieren, akzentuieren, brechen und führen das Gesamtgeschehen genau nach Partitur und bekommen aber auch gezielt Freiräume für szenische und solistische Aktionen und spontane Improvisation.

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Video
Zu Beginn werden Szenen von Statements und Interviews gezeigt. Der britische Architekturdozent Anthony J. Barber referiert über den Museumsbau (1957) von Rudolf Schwarz. Der Kunsthistoriker Beat Wyss lädt zu einem Diskurs über die Beziehung von Kunst und Kunstgewerbe ein, während sich Maria Schwarz, Wolfgang Pehnt und Christian Schaller über die Entstehungsphase des ursprünglich für das Wallraf-Richartz-Museum konzipierten Gebäudes unterhalten - dazwischen geschnitten u.a. historische Bilder des Vorgängerbaus, sowie Darstellungen des ehemaligen Minoritenklosters, dessen Kreuzgang in seinen Überresten im Bau erhalten und integriert ist.

Nach Öffnung des Vorhangs werden Projektionen auf eine unter der Decke zwischen die Säulen gespannte Leinwand (als Spiegelung auf der Fensterfläche zu sehen) gezeigt, die Impressionen aus der Architektur sowie von vorangegangenen Ausstellungen (in der großen Halle) darstellen. Darüber hinaus werden fiktionale Szenen mit den „Neun Musen“, die im Museum und im Innenhof gedreht wurden, die Musik visuell kontrastieren.

Aufgrund der Wechselwirkung von Projektion und Glas-Spiegelung sollen die Wahrnehmungsebenen von „real und fiktiv“ optisch ineinander verfließen.

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Ziele
Eines der Ziele ist die sinnliche Vermittlung von Kunst/Musik/Architektur im Spiegel der Zeit. Die Aufführung reflektiert die sich permanent verändernde Kunstauffassung der Gesellschaft. Z.B. hat der Begriff des Kunstgewerbes in den letzten 50 Jahren ein starkes Gefälle in der allgemeinen Akzeptanz erlitten. Fast alle ehemaligen Kunstgewerbemuseen nennen sich mittlerweile Museum für Angewandte Kunst.
Zwischen Kunst und Gewerbe wird eine scharfe Trennlinie gezogen - auch gerade in der Musik und vor allem in Deutschland. Nur die Architektur ist - im besten Falle - immer angewandte Kunst mit einem klaren funktionalen Profil. Allerdings beschleunigen sich hier offensichtlich die Alterserscheinungen. So hat das Gebäude seit seiner Errichtung 1957 als erster deutscher Museumsbau nach dem 2. Weltkrieg schon nach 30 Jahren eine Umnutzung erfahren. Transformationsprozesse der Wahrnehmung (wie die historisierende Umdeutung von Gegenständen des Alltags in Objekte der Betrachtung - und damit neuer Beachtung) werden auch in der Musik eine zentrale Rolle spielen. Das Museum selbst wird Instrument, Bild und Partitur, intermedial gespiegelt aus  verschiedenen Hör- und Blickwinkeln.

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Einfallswinkel – Programmheft

Die Mitwirkenden im Video

Architekturerläuterung Anthony J. Barber
Kunstgewerbediskurs

Prof. Dr. Beat Wyss

Gesprächsrunde Prof. Maria Schwarz, Prof. Dr. Wolfgang Pehnt,
Christian Schaller
Die Musen Martina Borroni, Sarah Edgar, Gabriela Madeira,
Elisa Marschall, Joana Dinah Schwing, Gabriela Tarcha,
Yasi Tüten, Kathrin Wankelmuth


Das Gebäude
Der Museumsbau des MAKK entstand nach den Entwürfen von Rudolf Schwarz (1897-1961) und Josef Bernard (1902-1959) als „Schatzhaus für die Kunst".

In diesem ersten deutschen Museumsneubau der Nachkriegszeit (1953-1957) waren ursprünglich das Wallraf-Richartz-Museum und das Museum Ludwig untergebracht. Nach dem die beiden Museen ein neues Gebäude bezogen haben, dient der Schwarzbau seit 1989 dem Museum für Angewandte Kunst als Domizil.

Der auf dem ehemaligen Areal des 1855 abgerissenen Minoritenklosters errichtete Gebäudekomplex ist direkt an die erhaltene mittelalterliche Minoritenkirche als Vierflügelanlage um einen zentralen Innenhof angebaut und nimmt somit den Grundriss und die architektonische Anmutung der Klosteranlage bewusst auf. Zusätzlich wurden in die Anlage Teile des Kreuzgangs integriert.

Den kontemplativen Gedanken des Kreuzgangs vermittelt heute noch der Innenhof, eine Oase in der Innenstadt, mit der Brunnenanlage des Malers und Bildhauers Ewald Mataré (1887-1965). Dieser Brunnen mit der Plastik eines Engels mit Malpalette entstand im Rahmen des Wettbewerbs zum 500. Todestag von Stefan Lochner. Der Brunnen (1953-1956) gehört genauso zum originalen Ausstattungsprogramm wie der ebenfalls von Mataré gestaltete Pfeiler und Tragbalken, die auf der Nordseite des Innenhofs die Fensterfassade betonen.

Der dreigeschossige Ziegelsteinbau ist stark vertikal durch Lisenen, Fensterreihen und parallele Spitzgiebeldächer gegliedert. Das äußerlich ausgesprochen schlichte und geschlossen wirkende Gebäude eröffnet erst seine kathedralhafte Wirkung, nachdem man demutsvoll ganz im Sinne der Intention von Rudolf Schwarz das niedrige Eingangsfoyer durchschritten hat. Das Rauminnere wird durch die zentrale Haupthalle mit dem offenen Treppenhaus und den Galerien dominiert, die zu den Ausstellungsräumen mit beeindruckenden Oberlichtsälen führen. (Quelle: MAKK website)

Das Museum
Das MAKK ist das zweitälteste Museum der Stadt Köln. Es wurde 1888 unter dem Namen „Kunstgewerbe-Museum" durch bürgerliche Initiative gegründet.

Die umfangreichen Sammlungsbestände basieren auf einem außerordentlichen Mäzenatentum. Der historische Kernbestand umfasst die Sammlungen der Gelehrten und Sammler Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) und Matthias Joseph de Noël (1782-1849); er wurde in rascher Folge erweitert durch qualitätvolle und umfängliche Stiftungen vorwiegend aus der Kölner Bürgerschaft. So haben engagierte Sammler und Stifter von den Anfängen bis heute die lebendige Geschichte und den besonderen Charakter des Museums geprägt.

Zunächst war das Museum in der Taubstummenschule „An der Rechtschule" und dann ab 1900 in einem eigenen Museumsgebäude am Hansaring, einem repräsentativen neugotischen Bau des Architekten Brantzky untergebracht. Im frühen 20. Jahrhundert kam es zu einer Neuordnung der Museumssammlungen, zunächst mit der Verselbständigung des Ostasiatischen Museums im Jahr 1913. Von 1927 bis 1932 erfolgten dann Ausgliederungen von Sammlungsbereichen zugunsten des Stadtmuseums, des Museum Schnütgen und des Wallraf-Richartz-Museums.

Im 2. Weltkrieg wurde das Museumsgebäude am Hansaring zerstört, die Sammlungen konnten aber fast vollständig gerettet werden. Als Interimsquartiere dienten anfangs Räume in der Eigelsteintorburg und dann 25 Jahre von 1961 bis 1986 das romanische Overstolzenhaus in der Rheingasse. Seit 1989 ist das Museum wieder in zentraler Citylage in dem 1957 von Rudolf Schwarz geschaffenen Bau untergebracht.

Mit dem Umzug in das neue Domizil erfolgte als sichtbares Zeichen für einen Neuaufbruch in eine neue Ära die Umbenennung in „Museum für Angewandte Kunst". Seit 1989 präsentiert das Museum nach fast 50 Jahren Unterbrechung wieder eine permanente Ausstellung mit der reichen und weltberühmten Sammlung an

Kunsthandwerk. Diese wird ergänzt durch die 2008 neu eröffnete Designabteilung „Design + Kunst im Dialog", einem bislang singulären Ausstellungskonzept, dass internationales Design mit Werken der Bildenden Kunst in Beziehung setzt.

(Quelle: MAKK website)

Die Musen
   Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
   Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
   Vieler Menschen Städte gesehn,

Homer, Odyssee

Die neun olympischen Musen
Hesiod (6. Jh. v. Chr.) legt in seiner Theogonie die Zahl der Musen auf neun fest; nach ihm sind sie die Töchter der Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung, und des Zeus. Allerdings wies Hesiod ihnen noch keine speziellen Zuständigkeitsbereiche und Attribute zu, diese werden erst später unterschieden, doch auch dann wechselten die Zuschreibungen von Funktionen und Attributen noch einigermaßen willkürlich. Erst in spätester Zeit gab es eine sich festigende Zuordnung von Name, Funktion und Attribut:

Klio: die Rühmende, ist die Muse der Geschichtsschreibung (Attribute: Papierrolle und Schreibgriffel)
Melpomene: die Singende, ist die Muse der Tragödie (Attribut: ernste Theatermaske, Weinlaubkranz, wahrscheinlich auch ein Schwert oder eine Keule)
Terpsichore: die fröhlich im Reigen Tanzende, ist die Muse für Chorlyrik und Tanz (Attribut: Leier)
Thalia: die Festliche, die Blühende, ist die Muse der Komödie (Attribut: lachende Theatermaske, Efeukranz und Krummstab)
Euterpe: die Erfreuende, ist die Muse der Lyrik und des Flötenspiels (Attribut: Aulos die Doppelflöte)
Erato: die Liebevolle, Sehnsucht Weckende, ist die Muse der Liebesdichtung (Attribut: Saiteninstrument, Leier)
Urania: die Himmlische, ist die Muse der Astronomie (Attribut: Himmelskugel und Zeigestab)
Polyhymnia: die Hymnenreiche (Liederreiche). Sie ist die Muse des Gesangs mit der Leier (kein spezifisches Attribut, manchmal die Leier)
Kalliope: die mit der schönen Stimme, ist die Muse der epischen Dichtung, der Rhetorik, der Philosophie und der Wissenschaft (Attribut: Schreibtafel und Schreibgriffel)
(Quelle: Wikipedia)

Die Zuschreibung der Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Musen auf die „schönen und freien“ Künste unter Auslassung der Bildenden Kunst und Architektur weist darauf hin, dass von der Antike bis ins Mittelalter die Herstellung von Malerei und Skulptur eher dem Bereich des Handwerks zugeordnet wurde. Die Entwicklung vom „Mouseion“ als Sitz der Musen zu den Museumsbauten heutiger Prägung ist eine relativ moderne Erscheinung, die erst mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert einsetzt.

Das Kunstgewerbe
„Glocken, klingt und Fahnen, weht Was der Geist ersinnt und schafft,
Heut zu festlichem Empfang! Was gebildet Kunst und Fleiss,
Und das Werk, das fertig steht,
Grüsse weihender Gesang!
Weite Hallen sind bereit,
Rings umher grünt Baum an Baum,
Eine Welt von Thätigkeit
Regt sich stolz in diesem Raum.“
Lied zur Eröffnungsfeier der Wiener Weltausstellung 1873

„Die Malerei wurde das Schoßkind der Gesellschaft des neunzehnten Jahrhunderts, sie bildete den unbestrittenen Tummelplatz aller Kunstbedürftigen.
Erst ganz in neuerer Zeit hat sich neben ihr noch ein anderes Kunstgebiet die Gunst des Publikums zu erringen vermocht: das Kunstgewerbe.
Kunstgewerbe ist ein neuer Begriff, ein Sondergebiet unserer Zeit, sowohl in der Wortbildung als in der Sache etwas Neues. Der Begriff ist erst in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, es wäre interessant, einmal festzustellen, wer das Wort zuerst gebraucht hat. Jedenfalls wußte man früher (man kann sagen in der alten Kultur) nichts von Kunstgewerbe, man kannte nur den Begriff Handwerk. Das Handwerk rechnete man selbstverständlich nicht zu den Künsten, obgleich es damals nach dem Maßstabe unsrer heutigen Beurteilung durchaus Kunsthandwerk war. Vielleicht erschien
die besondere Betonung des Künstlerischen in ihm darum gerade überflüssig, weil die Verbindung von Kunst und Handwerk natürlich gewachsen war und darum als organisch unzerlegbar empfunden wurde.
Es war um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, als den Einsichtigen plötzlich die Augen darüber aufgingen, daß das Gewerbe kunstlos geworden war, daß diese Abtrennung des Künstlerischen vom Handwerklichen trotz allem eingetreten war. Die Weltausstellung in London 1851 hatte diese Erfahrung gebracht.
(...)
Zweifellos ist nun durch die Entwicklung eines neuen Ornaments und neuer Gestaltungsformen an Stelle der wiedergekauten historischen eine große Tat geleistet worden, eine Tat, die die Geschichte unserer Zeit einst hoch anrechnen wird. Neues Leben blühte plötzlich überall aus den Ruinen der alten Kunst empor. Und damit war überhaupt eine neue Zeit für das Kunstgewerbe heraufgekommen. Alles gährte und drängte hier nach Gestaltung, eine neue sprudelnde Tätigkeit begann, die Maler traten in Scharen zum Kunstgewerbe über, das Publikum faßte Interesse am Kunstgewerbe, kunstgewerbliche Zeitschriften schossen überall aus dem Boden hervor. Das Unerhörte trat ein: das Kunstgewerbe errang sich in der Vorstellung des Volkes einen Platz neben der bisherigen privilegierten Monopolkunst, der Malerei. Es trat beinahe vollwertig neben sie.
(...)
Hermann Muthesius: Der Weg und das Endziel des Kunstgewerbes (1905)

Der Architekt und Theoretiker Muthesius (1861-1927), ein heftiger Kritiker des historisierenden Stilpluralismus´ sowie des ornamentalen Jugendstils, sah in der Kombination von Kunstgewerbe und Architektur einen neuen Weg zeitgemäßer Gestaltung, der Form, Funktion und Ästhetik schnörkellos verbinden könnte.
Hundert Jahre später klingt der Begriff „Kunstgewerbe“ altbacken und wird oft abschätzig konnotiert. Zwischen Kunst und Gewerbe wird eine scharfe Trennlinie gezogen - auch gerade in der Musik und vor allem in Deutschland.

Die Musik
Transformationsprozesse der Wahrnehmung, wie die Umdeutung von Gebrauchsgegenständen zu Objekten der Betrachtung - und damit neuer Beachtung, spielen auch in der Musik eine zentrale Rolle. Analog zur Thematik des Museums (Präsentation der ständigen Sammlung von künstlerisch gestalteten Alltagsgegenständen seit dem Mittelalter mit wechselnden zeitgenössischen Sonderausstellungen) werden in der musikalischen Gestaltung immer wieder Trinklieder aus vergangenen Stilepochen erklingen, inspiriert von den vielen prunkvollen Trinkgefäßen in den Vitrinen. Eine kleine Sammlung, die eher ins Wirtshaus als in die heiligen (Kunst-)Hallen gehört: Profanes in sakraler Akustik - aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus gebrochene Gebrauchsmusik in zeitgenössische Blick- und Hörwinkel gespiegelt. Und das Museum selbst wird Instrument, Bild und Partitur.

Die Lieder
All Voll
All voll, all voll,
Bist du voll, so lege dich nieder,
steh früh auf und fülle dich wieder,
das ganze Jahr, den Abend und den Morgen
(...)
Glogauer Liederbuch oder Locheimer Liederbuch (ca. 1460)

Bierlied
Pursalisch lustig laßt uns sein
Bei gutem Bier hab´n wir nit Wein
Schenk ein den großen Humpen
Und bring es deinem Cumpen
Trink auf die Reih´und sing dabei:
Tummel tummel dich, tummel tummel dich,
Tummel tummel dich, tummel tummel dich
Gut´s Bierlein
(...)
Melchior Franck (1623)

Es wollt´ein Frau zuem Weine gahn
Es wollt´ein Frau zuem Weine gahn. Herorimatori!
Sie wollt den Mann nit mit ihr lahn. Guretsch, guretsch, guritzi maretsch,
herorimatori!
(...)
Ludwig Senfl (1539/1540)

Herr Wiert, uns dürstet
Herr Wiert, uns dürstet also sere,
trag auf Wein, trag auf Wein, trag auf Wein,
Das dir got dein laid verkere,
pring her Wein, pring her Wein, pring her Wein,
und dir dein saelden mere,
nu schenck ein, nu schenck ein, nu schenck ein

Gretel wiltu sein mein treutel
so sprich, sprichs, so sprich, sprichs, so sprich, sprichs
Ja koufst du mir einen beutel
Leicht tün ich’s, leicht tün ich’s, leicht tün ich’s
Und reyss mir nit das heutel
Nur stich stichs, nur stich stichs, nur stich stichs
(...)
Oswald von Wolkenstein (vor 1408)

Tourdion
Quand je bois du vin clairet,
Ami tout tourne, tourne, tourne, tourne,
Aussi désormais je bois Anjou ou Arbois,
Chantons et buvons, à ce flacon faisons la guerre,
Chantons et buvons, les amis, buvons donc!
Quand je bois du vin clairet,
Ami tout tourne, tourne, tourne, tourne,
Aussi désormais je bois Anjou ou Arbois.

Buvons bien, là buvons donc
A ce flacon faisons la guerre.
Buvons bien, là buvons donc
Ami, trinquons, gaiement chantons.
En mangeant d’un gras jambon,
À ce flacon faisons la guerre!

Buvons bien, buvons mes amis,
Trinquons, buvons, vidons nos verres.
Buvons bien, buvons mes amis,
Trinquons, buvons, gaiement chantons.
En mangeant d’un gras jambon,
À ce flacon faisons la guerre!

Le bon vin nous a rendus gais, chantons,
Oublions nos peines, chantons.
Pierre Attaingnant (1530)

Tourdion-Übersetzung
Wenn ich Clairet trinke,
Freund, dreht sich alles,
Von jetzt an trinke ich auch Anjou- oder Arboiswein,
Lasst uns singen und saufen, lasst uns diese Flasche niedermachen,
Lasst uns singen und saufen, meine Freunde, lasst uns mal saufen!
Wenn ich Clairet trinke,
Freund, dreht sich alles,
Von jetzt an trinke ich auch Anjou- oder Arboiswein.

Lasst uns tüchtig saufen, lasst uns dort mal saufen
lasst uns diese Flasche niedermachen.
Lasst uns tüchtig saufen, lasst uns dort mal saufen,
Freund, Lasst uns anstossen, fröhlich singen.
Während wir einen fetten Schinken essen,
lasst uns diese Flasche niedermachen!

Lasst uns tüchtig saufen, lasst uns saufen meine Freunde,
Lasst uns anstossen, lasst uns saufen, lasst uns unsere Gläser leeren.
Lasst uns tüchtig saufen, lasst uns saufen meine Freunde,
Lasst uns anstossen, lasst uns saufen, fröhlich singen.
Während wir einen fetten Schinken essen, lasst uns diese Flasche niedermachen!

Der gute Wein hat uns froh gemacht, lasst uns singen,
Lasst uns unsern Kummer vergessen, lasst uns singen.


Kaffeekantate
Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben, Ach, so schenkt mir Coffee ein!
Johann Sebastian Bach, BWV 211: Eil wie schmeckt der coffe susse (1735)


C A F F E E,
trink nicht so viel Caffee.
Nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven,
macht dich blass und krank.
Sei doch kein Muselman,
der ihn nicht lassen kann.
Karl Gottlieb Hering (1766 - 1853)

 

 




Einfallswinkel/Brechung - Film (85 min)
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