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das minimum


 

 

 

Besetzung:
Solo
Werkdauer:
45'
Uraufführung:
09.09.1989, Köln, LOFT
gespielt von:
Thomas Witzmann
Sonstiges:
Weitere Aufführungen u.a.: Berlin - Freunde Guter Musik (Club Gérard Philipe), Stuttgart - Treffpunkt-Rote-Bühl-Platz, Akademie Schloß Solitude, Marl - Glaskasten, Gütersloh - Kunstverein, Maastricht - Festival Het Kleinod, Rotterdam - Goethe-Institut, , Düsseldorf - Kunstsammlung NRW, Schauspielhaus, Stiftung Kunst und Kultur, Mannheim - Schauspielhaus, Hamburg - Nachtkantine im Schauspielhaus, Bonn - Theater im Ballsaal, Meerbusch - Kunstverein, Heidelberg - Kunstverein
Kurzbeschreibung: Ein-Mann-Musiktheater mit minimalen Mitteln: 2 Streichholzschachteln, 2 Waldteufel, 2 Vogelpfeifen, 2 Luftballons, Darabuka und Casio-Spielzeugorgel.
Presse:

Doktor Rhythmus höchstpersönlich

Der Avantgarde-Schlagzeuger Thomas Witzmann im Rotebühltreff

Ein Luftballon wird malträtiert: Er wird gerupft, bespuckt, gekratzt und höchst unsanft massiert. Sein Jaulen verdichtet sich im stürmischen Rhythmus zum akustischen Orkan. Da gibt er seinen Geist auf und platzt - mit einem letzten lauten Knall. Bei der Aufführung seiner tönenden Performance "das minimum" im Treffpunkt Rotebühlplatz schonte Thomas Witzmann weder sich noch seine "Instrumente". Der Perkussionist hackt auf die Tastatur des abgeschalteten Synthesizers ein, japst und prustet im Rhythmus der unanständig quäkenden Waldteufel sowie der meisterhaft geschlagenen Darabuk-Trommel und kitzelt den explosivsten Beat aus zwei Streichholzschachteln.

Doch Witzmann protzt nicht mit stilistisch technischer Kraftmeierei, statt dessen kreiert er geräusch-volle Stimmungen, in denen er, ganz ohne Worte, über Lust und Frust beim Komponieren reflektiert. Als die letzten Streichhölzer aus den Schachteln gefallen sind, schüttelt sie Witzmann minutenlang lautlos weiter - stumme Töne im Takt, den nur der Komponist hört. Der Kölner ist weit mehr als nur ein virtuoser Geräusch-akrobat, er ist Doktor Rhythmus höchstpersönlich.

Stuttgarter Zeitung
24. Juli 1992
wer

Das Schweineorchester probt

Performance mit Thomas Witzmann im Treffpunkt Rotebühlplatz

Höhepunkt des Abends ist der erste Teil der tönenden Ein-Mann-Performance, wenn Witzmann einen frustrierten Komponisten mimt, dem nichts Brauchbares einfällt. Verzweifelt trommelt der Tonkünstler einen fremdartigen Rhythmus auf die Tastatur seines abgeschalteten Synthesizers, bis der, wie von Zauberhand bewegt, antwortet. Als er seinen verhinderten Komponisten Streichholzschachteln als Rumbarasseln entdecken läßt, beginnt Witzmanns Phantasie Kapriolen zu schlagen: Alles muß sich unter seinen geschickten Fingern als Blas-, Zupf- und Schlaginstrument beweisen.

Einen Luftballon begießt der Tausendsassa mit Wasser, streicht und knetet ihn so lange, bis er grunzt und quiekt, als habe sich auf der Bühne eine Horde Schweine zur Orchesterprobe versammelt. Witzmanns Schaben und Streichen, Hämmern und Pfeifen klingt bald wie das Arbeiten von Maschinen in einer Fabrikhalle, bald wie Tierlaute im Urwald. Der Musiker verknüpft Alltagsgeräusche zu faszinierenden Klanggebilden, die er über swingenden oder afrokubanischen Rhythmen schweben läßt. Dabei gehen Elemente von Jazz, Rock und Neuer Musik ineinander über - gekonnte Unterhaltung, die man im November noch einmal genießen kann. Dann gastiert Witzmann wieder in Stuttgart.

Stuttgarter Nachrichten
25. Juli 1992
Horst Lohr

Die knarzende Wäsche eines Ballons

"Theater im Foyer": Thomas Witzmanns Musiktheaterstück "Minimum"

Im "Theater im Foyer" des Schauspielhauses steht zu nachtschlafender Zeit ein übel zugerichteter Tapezier-tisch mit allerlei Krimskrams drauf. Kerze, Wasserglas, Vogelstimmen-Pfeifen, Spielzeugorgel, Streichholz-schachteln, ganz rechts ein verheißungsvoll geöffneter Koffer, darinnen zwei kohlrabenschwarze Luftballons, die Detonationen ankündigen.

Auf den Bühnenaufbau zu Thomas Witzmanns "Das Minimum" kann sich der Betrachter keinen rech-ten Reim machen. Auch die Person des Akteurs - er ist Schlagzeuger für Rock, Jazz und Neue Musik, Schau-spieler, Komponist, Kabarettist - läßt wenig Rückschlüsse zum Geschehen zu. Etwas verunsichert harrt das Publikum der Dinge, die kommen mögen.

Witzmann kommt auf die Bühne und tut nichts - das heißt: Er denkt wohl, schreibt mit immer größeren Bewegungen und unter markerschütternden Schabgeräuschen (Zahnarztassoziationen!) mit einem Kohlestift voll, um sie dann unwillig zu zerknüllen. B-A-C-H, A-D-E, Es-C-H-Eis-E steht darauf - und über die Noten-namen entspinnen sich auf der Spielzeugorgel erbarmungswürdig banale Improvisationen. Erst C-A-G-E über-zeugt und bleibt, wenn auch leicht angekokelt, auf dem Tisch liegen. Darauf entdeckt Witzmann im Gefolge Cages seine klingende Umwelt. Alles wird zu Rhythmus, zu Geräusch, ja zu Melodie: intelligent erdacht, vir-tuos vorgetragen und dabei so unterhaltsam, daß nach anfänglicher Ratlosigkeit Lachtränen über Zuschauer-backen kullern.

Es ist das Groteske der Geräusche und deren Produktion, das diese Heiterkeit hervorruft. Wenn Witz-mann beispielsweise zwischen seinen Knien einen nassen Ballon hält und mit seinen Händen - einem Friseur bei der Haarwäsche nicht unähnlich - unter schauerlichem Quietschen und Knarzen darüber fährt, so kann man nicht ernst bleiben, schon gar nicht angesichts des bedeutungsschwanger-verzückten Gesichtsausdrucks Thomas Witzmanns, der während der gesamten Veranstaltung kein einziges Wort spricht.

Rheinische Post
28. September 1993
Peter Korfmacher

Witzmanns "das minimum" als maximale Musik-Performance

Der Einsatz menschlicher Körperkraft kann diversen Zwecken dienen. Selten jedoch wird körper-liche Aktivität zur Umsetzung feinster Bewegungsmuster in Klänge und Melodien genutzt. Thomas Witzmann ist einer der wenigen deutschen Künstler, die aus der Kombination anatomischer Agitationen und Verwendung einfachster Materialien eigenwillige, schöne Musik schaffen. Witzmanns Engagement gilt dem Grenzbereich zwischen Neuer Musik, Jazz, Improvisation und Musiktheater.

Mit seiner Solo-Performance "das minimum" lieferte Witzmann am Sonntag auf dem Sommerfest des Kunstvereins Kreis Gütersloh eine Kostprobe seines Könnens. Den Festgästen im Veerhoffhaus stand neben Begeisterung auch Verwunderung über die ausgefeilte Fingerfertigkeit des Künstlers ins Gesicht geschrieben. Nach Begrüßungsworten der Kunstvereinvorsitzenden Dr. Karin Zinkann betritt Thomas Witzmann den Raum und begibt sich hinter einen heruntergekommenen Tapeziertisch. Er wirkt in sich gekehrt, nachdenklich, tief angespannt. Die Requisiten: Tisch, Stuhl , eine Kerze, ein Keyboard, hölzerner Koffer, Luftballons, Papier, diverses Kleinmaterial.

Witzmann komponiert. Er schreibt Buchstaben auf weißes Papier. Es sind Töne. Witzmann spielt sie auf dem Keyboard, verwirft die Melodien, vernichtet das Papier. Mehrere Versuche dieser Art folgen. Das letzte Blatt Papier scheint die Offenbarung zu sein. Witzmann zittert. Das Papier mit den seltsamen Buchstaben wird zwischen seinen Händen hin und her gerissen. Er spielt auf dem Keyboard. Seine Anspannung überträgt sich in Rhythmus und Takt. Selbstzweifel tauchen auf. Witzmann brennt das Papier an. Dann löscht er wieder. Die musikalische Seele des Künstlers erscheint tief gespalten. Und doch, die letzten Buchstaben waren die richtige Tonfolge.

Witzmanns ekstatischer Ausritt nimmt seinen Anfang. Er braucht die Instrumente des Keyboards nicht mehr. Äußere Hülle, Lautsprecherabdeckung, der Tisch: das genügt zur Klangerzeugung. Neue Utensilien werden entdeckt. Eine lose Folge von Percussion- und Keyboardsessions schließt sich an. Stöhnen, Krächzen, Quietschen, Piepsen, Zwitschern, Quaken.

Die Geräuschkulisse streift sämtliche natürliche Dimensionen. Zuweilen schwebt die Melodie im Raum, greifbar nah. Nicht zu erreichen. Witzmann ist schnell und konzentriert. Seine Finger reiben und kratzen an einem Luftballon. Kribbeln bestimmt die Atmosphäre. Der Luftballon platzt. Witzmann ist zutiefst verstört. Sein Kopf sinkt auf den Tisch. Streichhölzer rascheln. Wieder eine musikalische Entdeckung. Selbst Witz-manns Nippen am Wasserglas wirkt melodiös. Das Ende naht. Der zweite Luftballon zerplatzt. Witzmanns Anspannung schwindet. Seine Zugabe bewegt sich im gesamten Raum. Der Körper zuckt und schwingt. In die Ohren des Publikums schweben Rhythmus und Takt. Töne und Klänge formen sich zu Melodien. Das Ende der Performance beschwört einen tosenden Applaus. "Das minimum" als maximale Leistung, maximale Ausla-stung minimalen Materials.

Witzmanns Vorführung war zugleich Auftakt und Höhepunkt des Sommerfestes zum Ende der Ausstel-lungssaison [...]


Die Glocke (Gütersloh)
29. Juni 1993
ved (i.e. Vedder)

Bilder:
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